20er-30er Jahre
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Rörchen in den zwanziger und dreißiger Jahren

 

Aufgezeichnet von Otto Thrun

 

Rörchen war früher eine eigene Gemeinde, bis sie in den dreißiger Jahren mit Sophiental und Christinenberg vereinigt wurde. Rörchen bestand ursprünglich aus dem Gut Rörchen und den Ortsteilen Friedrich-Wilhelms-Tal und Elisenau. Gemeindevorsteher war lange Zeit der Landwirt Gustav Meilahn, danach der Landwirt und Stellmacher Ernst Mallow bis zur Auflösung der Gemeinde.

 

Das Gut Rörchen 

Das Gut Rörchen gehörte bis zu deren Tode in den dreißiger Jahren den Geschwistern Erna, Tekla und Raoul von Borkstede. Letzterer war Major gewesen. Alle drei blieben unverheiratet. Geerbt hat das Gut Hans-Joachim von Borkstede, der bis zur Flucht mit Tochter und Schwiegersohn, dem Grafen Hartwig von Bernsdorff, im Gutsgebäude gewohnt hat. Zum Gut gehörten 500 ha Wald und nach der Verkleinerung durch Siedeln noch 125 ha Land, hauptsächlich Wiesen. Das Land wurde nur teilweise vom Gut selber bewirtschaftet. Zum Personal zählte auch ein Kutscher und ein Gärtner. Beide wohnten mit ihren Familien in einem Haus, das am Weg zum Kurzen Haus lag. Der Förster mit Familie wohnte in Teerofen, wo sich auch der Hauptteil des Waldes befand. Nach Teerofen ließen sich die Geschwister auch öfter mit einer Kutsche fahren. Die Wiesen wurden größtenteils an die Bauern im Dorf verpachtet. Zum Gut gehörte das Kurze Haus mit zwei und das Lange Haus mit acht Wohnungen für die Tagelöhner. Die Häuser lagen an der Straße, die vom Gut zum Wald und der Chaussee bzw. zum Friedhof führte.

 

 

Die Bewohner

Die meisten Bewohner des Dorfes lebten von der Landwirtschaft, insbesondere von der Viehhaltung. Die Höfe waren so um die 5 ha groß, nur wenige hatten mehr als 1o ha Eigenbesitz. Die kleineren Bauern hatten nur ein Pferd, die größeren zwei Pferde. Es gab mehrere Fleischer im Dorf. Diese kauften das Schlachtvieh im Ort  und in den umliegenden Gemeinden auf. Montags und Donnerstags war Schlachttag. Gegen Abend kam dann der Tierarzt Dr. Berndt aus Christinenberg, anfangs mit dem Fahrrad, dann mit Fahrrad und Hilfsmotor, später mit dem Motorrad und schließlich mit dem Auto, zum Prüfen und Abstempeln des Fleisches. Jeweils am Dienstag und Freitag wurde das Fleisch mit Pferdewagen früh  morgens nach Stettin zum Schlachthof auf die Lastadie gebracht und dort den Fleischern mit Ladengeschäften oder Marktständen verkauft. Die Wagen trafen sich auf der Chaussee und wurden von Fleischergesellen begleitet. Die Meister fuhren mit dem ersten Zug nach Stettin. Später hatte der eine oder andere Fleischer auch einen Lastwagen zum Transport.

 

Im Dorf gab es auch zwei größere Tischlereien, die ihre Erzeugnisse auch nach außerhalb lieferten. Ferner waren zwei Schmieden vorhanden und mehrere Lebensmittelläden, einer verbunden mit einer Bäckerei, einer in Verbindung mit einer Gastwirtschaft. Auch gab es einen Gasthof mit großem Saal, ferner zwei Windmühlen, die bei Bedarf auch elektrisch betrieben werden konnten.

 

Schulen 

In Rörchen gab es zwei Schulen. Der Lehrer Thrun kam im Januar 1907 nach Rörchen. Er leitete die zweite Schule bis zu seiner Pensionierung Ende März 1934. Der Lehrer Lietzow, der die erste Schule leitete, wurde zu Beginn des 1. Weltkrieges zum Kriegsdienst einberufen und ist in den ersten Wochen des Krieges gefallen. Auch der Lehrer Thrun wurde Soldat. Er kehrte im November 1918 nach Rörchen zurück. Während seiner Abwesenheit wurde er von der Lehrerin Klein aus Gollnow, die im Schulhaus ein Zimmer bewohnte, vertreten. Die erste Lehrerstelle hatte der Lehrer Melchert viele Jahre inne.

Im April 1934,  mit der Pensionierung des Lehrers Thrun, wurde die 2. Schule aufgelöst, weil die Zahl der Schüler in Rörchen unter 6o gesunken war. Auch der Lehrer Melchert ließ sich pensionieren. Er fühlte sich dem Unterricht mit 6o Kindern nicht gewachsen. Es folgten kurzfristig Vertretungen. Dann kam der Lehrer Goetsch bis zum Kriegsende nach Rörchen. Dieser war auch einige Jahre NSDAP- Ortsgruppenleiter.  Nach ca. 5 Jahren wurde die 2. Schule wieder eingerichtet, zumal die Schule in Sophiental aufgelöst worden war. Die Kinder aus Sophiental mussten nach Rörchen in die Schule gehen. Am l.10.1938 wurde der Lehrer Hasenbank mit der zweiten Lehrerstelle betraut. Er kam mit seiner Familie. Er wurde im Krieg zum Wehrdienst eingezogen und gilt als in Russland vermisst.


Kirche 

Nach dem 1. Weltkrieg war der Pastor Breithaupt lange Zeit im Amt. Dann folgte der Pastor Bethke bis zu seiner Pensionierung in den dreißiger Jahren. Dieser hatte zwei Söhne und eine Tochter. Der ältere Sohn Günter, der Kaufmann gelernt hatte , wanderte nach Amerika aus, später auch die Tochter, die Krankenschwester gewesen ist. Der jüngere Sohn Bill ist Studienrat geworden und hat die Tochter Lotte des Viehhändlers Otto Berg aus Christinernberg geheiratet.

  

 Hochzeit Berg & Bethke

 

Bild:  Hochzeit von Hilde Berg und Willi Berg 1938

 

Der Nachfolger von Pastor Bethke war der Pastor Boenke, der jedoch auch im Krieg gefallen ist. In den letzten Kriegsjahren wurde die Pfarrstelle von Lübzin aus verwaltet.

 

 

Vereine 

In Rörchen gab es mehrere Vereine. Da war der Kriegerverein, der Schützenverein und der Turnverein. Später kam noch der Radfahrverein hinzu. Die Vereine veranstalteten jedes Jahr ein Sommer- und ein Winterfest. Im Sommer zogen die Vereine durch das mit Girlanden geschmückte Dorf. Die Männer des Krieger- und Schützenvereins veranstalteten ein Wettschießen, die Frauen vergnügten sich beim Vogelstechen und die Kinder hatte ihren Spaß beim Taubenabwerfen. Am Abend war anschließend Tanz. Beim Wintervergnügen wurde meist  vom Turnverein auch ein kleines Theaterstück aufgeführt.

 

Der Turnverein ist im Jahre 1908 vom Lehrer Thrun gegründet worden. Später in den zwanziger Jahren erhielt er die Bezeichnung „Turn- und Sportverein Eintracht Rörchen-Christinenberg “ Die Mehrzahl der Mitglieder kam jedoch aus Rörchen, nur wenige aus Klein und Groß Christinenberg. Im Verein wurde im Sommer hauptsächlich Leichtathletik betrieben und Handball gespielt. Im Winter wurde im Saal von Gastwirt Kohn-Dahlke geturnt. Ende der zwanziger Jahre wurde auch eine Damenabteilung gegründet, die sich mit Leichtathletik, Gymnastik und Volkstanz befasste. Der Verein hatte auch eine Musikkapelle von Pfeifern und Trommlern, die vom Mitglied Adolf Dupke geleitet wurde. Wenn der Verein sein Sommerfest veranstaltete, nahmen auch Vereine von außerhalb daran teil, z. B. Vereine aus Gollnow, Lübzin, Hinzendorf u.a.  Nach dem Umzug durch das Dorf wurden auf dem Sportplatz, einem vom Gut gepachteten Grundstück, der sich seit ca. 1925 am Waldrand oberhalb der südlichen Schmiede befand, Wettkämpfe und Spiele ausgetragen. Im Sommer 1933, als der Verein sein 25 jähriges Jubiläum feierte, waren besonders viele Vereine aus dem Kreise Naugard anwesend.

 

 

 Bild: Fußballmannschaft des T V Rörchen

2. von links Hans Schröder, 3. von links Eduard Thrun, 2. von rechts Karl Darkow

Vorne in der Mitte Karl Thrun,  rechts davon Edmund Schröder

 

Die Elektrifizierung 

Der 1. Oktober 1913 war in mehrfacher Hinsicht ein besonderer Tag. Für Rörchen war es der Einzug des elektrischen Stromes ins Dorf und damit der Beginn einer ganz neuen Entwicklung.   Für mich war es der Tag meiner Geburt.

Ende der zwanziger Jahre erhielt das Dorf seine Straßenbeleuchtung. Für das Ein- und Ausschalten war Lehrer Melchert zuständig. Um zehn Uhr wurde das Licht gelöscht, nur bei Festlichkeiten durfte es die ganze Nacht brennen und den Heimweg der Festgäste beleuchten.

 

Nach der Entstehung der Großgemeinde Christinenberg 1936 wurde die Dorfstraße mit einer Kiesdecke durch alle Ortsteile befestigt und die Driften zwischen den Dörfern mit  Pappeln  bepflanzt.  

 

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